Freitag, 19. Juni 2015

belesen [Afrika] ... viel Zwiespalt bei der Heimkehr in ein fremdes Land

Zwiespätig ist aber auch das Gefühl, das das Buch bei mir hinterlassen hat. "Heimkehr in ein fremdes Land" von Chinua Achebe spielt im Nigeria der 60er-Jahre.

Der junge Obi kommt von einem Englisch-Studium in England nach einigen Jahren mit einem erfolgreichen Abschluss zurück in die Heimat. Und kennt sie nicht wieder. Beziehungsweise sie kennt ihn nicht wieder. Irgendwas ist faul im Staate Nigeria!


Heimkehr in fremdes Land
(Foto: Cover des Buches von Chinua Achebe; gesehen bei: http://www.fischerverlage.de/buch/heimkehr_in_ein_fremdes_land/9783596906130)


Am laufenden Band setzt sich Obi von einem gesellschaftlichen Fettnäpfchen ins andere. Sogar mit seinen besten Freunden streitet er mehr als er gewohnt war. Und dann ist da noch die Sache mit Clara, einer jungen Krankenschwester, wunderschön und klug aber sehr zum Missfallen der gesamten Familie "osu" (so etwas wie sozial aussätzig). Warum genau sie das ist, bzw. wie Menschen "osu" werden, wird leider nicht erläutert. Klang alles sehr mysteriös!

Um die Tragweite dieser Feststellung zu verstehen muss man nicht unbedingt die geschichtlichen Hintergründe und Umbrüche in dieser Zeit in Nigeria kennen, obwohl diese ungemein spannend sind. Aber auch die beschriebenen Reaktionen von Obis Mitmenschen machen klar was Sache ist: Die Mutter, zwar schon schwer krank, droht Obi dennoch damit sich lieber umzubringen als eine osu Schwiegertochter zu bekommen. Der Vater, ein katholischer Prediger versteht die Welt nicht mehr. Und Obi erst!

Und dann wäre da noch ein Geldproblem. Eigentlich mehrere. Denn von Obi als Mann mit englischem Studienabschluss und im Staatsdienst angestellt wird einiges erwartet - ein schickes Auto mit Chauffeur, selbstredend einen Koch, er muss das Schulgeld für seinen jüngeren Bruder aufbringen, auch die Eltern unterstützen und ein Darlehen für die Lebenshaltungskosten in England wieder zurückzahlen. Oder glaubt Obi, das er das alles machen muss bzw. braucht?

Ganz wird es nicht aufgedeckt. Obi verstrickt sich in immer neue Probleme, bis ihn - dem Gentleman mit der selbsternannten weißen Weste! - ein Bestechungsversuch in große Schwierigkeiten bringt.


(Foto: Chinua Achebe, Nigerias großer Sohn; gesehen auf: www.brainpickings.org)


Achebe, 2013 hochbetagt gestorben, gilt als einer der bedeutesten Autoren und Kritiker Afrikas. Angeblich war er auch einer der wenigen, die Nelson Mandela während seiner 30-jährigen Haftstrafe gelesen hatte und ihn schwer beeindruckte. Was für ein unglaubliches Kompliment!

Das faszinierende an diesem Buch sind für die Hydinger die unzähligen Interpretationsmöglichkeiten! Man kann es politisch, gesellschaftlich, kolonialistisch, historisch, sozial usw. usf. betrachten. Nie wird man wirklich in allen Einzelheiten so ganz schlau daraus! Und fühlt dadurch Obi mit, der ganz offensichtlich während er eine andere Kultur ein wenig genauer kennenlernen konnte während seines Studiums in England, die Hoffnung hatte, auch Nigeria wäre schon gesellschaftlich und politisch soweit, dass alte Ressentiments, Aberglaube und eben Bestechung überholt seien.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen