Dienstag, 29. September 2015

belesen [Finnland] ... nordischer literarischer Eigensinn

Der finnische Humor scheint jedenfalls eins zu sein - nicht für Mrs. Hyde gemacht!

"Der Mann mit den schönen Füßen" von Arto Paasilinna reiht sich schon vom Titel her in eine Sammlung absurder Bücher des bekannten finnischen Autors ein (z. B. "Der wunderbare Massenselbstmord"). Auch beim Genre bin ich mir nicht sicher, Krimi kann man das nicht nennen, Groteske eher.

(Foto: ein weiterer nordländischer Grotesk-Roman a la Jonassons "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg ..." - Paasalinnas "Der Mann mit den schönen Füßen"; gesehen auf: www.luebbe.de)


Der Reeder Aulis Rävänder ist mit einer geldgeilen und hinterlistigen Frau verheiratet, die genau über jede eheliche Pflicht Buch führt - und wie gut es bewertet werden kann, oder eben nicht. Außerdem hat Aulis  eine bereits erwachsene und eine jüngere Tochter im Schulalter und seinen großen Kahn, auf den er mächtig stolz ist. 

Nachdem ihm seine Frau in einem genau getimten und inszinierten Streit, just in dem Hotel, wo sie ihre Flitterwochen verbracht hatten, eröffnet, dass sie sich von ihm trennen wird, beginnt die Geschichte sich rasch, fast in Manier einer Screwball-Komödie zu entwickeln. Fast jedenfalls. 

Irgendwie wird Aulis durch seine dumpfbackige naive Art immer mehr in Dinge verstrickt, die keinem normalen Menschen auch nur einmal im Leben passieren: Erpressung eines Erpresserrings, Mord- und Todschlag, aber dann eh nicht ganz so wild, Versöhnungen und dann ist da noch die fesche und gutherzige Hobbypsychologin und Fußpflegerin, die ihn auf den rechten Weg zurückbringen will, und ein Wildschwein ... ah, lesen Sie am besten selbst! :-)


(Foto: der finnische Autor Arto Paasilinna mit Pelzkappe im Wald; gesehen auf: www.nationallibrary.fi)


Ob Aulis und die anderen Figuren und ihre Erlebnisse Paasilinnas ein Sammelsurium von Erzählungen seiner Eltern sind, beide waren Polizisten, kann man nicht sagen. Für mich ist es einfach zu viel des Guten an immer neuen und teils unlogischen Wendungen. Die Figuren sind in ihrer Naivität oder Hinterfotzigkeit zu stark überzeichnet, als dass man ihnen das abnehmen könnte. Das Buch spricht wohl eher auch eher Fans des "Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" von Jonas Jonasson an.

Für mich war es eine nette und witzige Unterhaltung, wenn man grad sonst keine andere leichte Kost zur Hand hat.

Freitag, 18. September 2015

bestaunt [Tapisserie] ... alte Brüsseler Spezialitäten im KHM

Wunderschön!
Einzigartig!
Riesig!

Die Superlative fließen nur so, spricht man über die neue Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Wien (KHM). Bis zum 20.9.2015 kann man Tapisserien aus dem 16. Jahrhundert bestaunen. Unter dem Titel "Fäden der Macht" wird dabei quasi die Publicity-Wirkung für die Herrschenden der Zeit aufgearbeitet. Ein sehr spannender Zugang.

Besonders beeindruckt hat Mrs. Hyde vor allem die enorme Größe der Wandbehänge (bis zu 40m²)! Unfassbar! Zum Vergleich: ein Facharbeiter arbeitete für einen halben(!) Quadratmeter 1 Woche hart. Wahnsinn!

Neu war mir auch der Begriff Lahn, die auch sehr gerne und in großer Menge eingearbeiteten Metallfäden, bevorzugt natürlich Gold- und Silberfäden. Im Laufe der Zeit ist das Silber heute schon oxidiert und so zu grauen statt glänzenden Fleckchen gewandelt, nichtsdestotrotz kann man sich die unglaubliche Pracht noch gut vorstellen.

(Foto: Ausschnitt aus einer der riesigen Tapisserien aus dem 16. Jahrhundert; dargestellt ist Herkules Kampf gegen die Hydra; gesehen auf: www.kulturundwein.com)


Eine Führung bzw. ein Audioguide zur Ausstellung empfiehlt sich sehr, da besonders Tapisserien viele nicht sofort ersichtliche Bedeutungen in sich bergen. Symbolik war das A und O jener künstlerischen Zeit! Auch zum Herstellungsprozess erfährt man einiges: spannend fand die Hydinger, dass zahlreiche berühmte Künstler jener Zeit die Entwürfe stellten, die Brüsseler Manufakturen dann allerdings so einiges selbst in der Hand hatten, besonders was die Bordüre und die Verwendung des Lahns betraf. Weiters mir bislang völlig unbekannt - Tapisserien wurden auch an den Außenseiten der Gebäude verwendet, z. B. entlang der Krönungskirche für einen französischen König.

Nach so langer Zeit erfüllen die Tapisserien auch heute noch ihren Zweck - grenzenlos zu beeindrucken und zu begeistern!!

Dienstag, 15. September 2015

belesen [Russinnen] ... schon ist dem Brenner wieder was passiert

Eigentlich ist der Brenner ja jetzt in Pension. Natürlich, von Herzens wegen bleibt einer, der immer schon Polizist war wohl immer Polizist.

Eigentlich wollt der Brenner ja nur weil ihm fad war ein bisserl in dem Datingportal schauen, der Unterhaltung wegen, sonst nichts. Hat ja seine Freundin, die ist ganz lieb zu ihm.

Eigentlich.


Was dann folgt ist eine der zugleich witzigsten und spannendsten Krimis in einem! Wolf Haas ist bekannt für seinen eigenwilligen Stil, der sich ungewöhnlich nahe am Gesprochenen (Wienerisch) aufhält. Was bei anderen schon in Dialogform schlecht gelingt, ist bei Haas unfassbar gelungen. Manche Sätze sind nur halb ausformuliert, anderes grundsätzlich verkürzt. Das ganze kommt zudem noch ironisch-sarkastisch und oft nur noch grenz-böse daher! Ein Heidenspaß!


(Foto: Cover des neuen Haas-Romans aus der Brenner-Serie; gesehen auf www.faz.net)


Haas' Seriendetektiv Simon Brenner will einer jungen Russin aus dem Datingportal helfen ihre verschwundene Schwester, ein blutjunges Model, zu finden, die von einem Shooting in Wien nicht mehr zurückgekehrt war. Angeblich soll sie von einer Wiener Mafia-Gruppierung festgehalten werden. Brenner aktiviert also ein paar alte Informanten, taucht in die Tatowierszene ein und versucht sich dennoch so weit wie möglich rauszuhalten ... doch der Ärger lässt nicht lange auf sich warten.

 
(Foto: der Autor Wolf Haas bei einer Lesung, auch die sind Unterhaltung pur; gesehen auf: willkommen-oesterreich.tv)


Zudem drängt ihn seine Freundin Herta immer noch mehr zu "helfen", so soll er Nadeschda, die Schwester der Gesuchten, doch bei sich zuhause aufnehmen, sie könnte ja auch in Gefahr sein. Das gefällt bald der Fremdenpolizei so gar nicht. Da beginnt der ganze Schlamassel auch schon unangenehm zu werden - es werden Hände abgehakt, Schamanen gesucht, Gerüchte über tatowierte Riesenpenisse grundlegend vernichtet, prügelnde 10-Jährige Straßenkids überlebt, und und und.

Ein furioses Werk, das man einfach auf einen Sitz verschlingen MUSS! Das achte Werk der Brenner-Reihe macht Lust auf viel viel mehr Brenner!

Dienstag, 8. September 2015

belesen [Fremdsprachen] ... Agota Kristofs Kampf gegen Französisch

Als begeisterte Spanisch-, Französisch- und Japanisch-Lernende und ganz allgemein riiiiesen Sprachenfan, muss Mrs. Hyde gestehen, bin ich wohl ein wenig vorbelastet im besten Sinne des Wortes. Sprachen könnten für mich nie "Feinde" sein!

Und doch kann man sich, vielleicht heute in Zeiten einer europaweiten Flüchtlingstragödie mehr als noch vor wenigen Monaten, vorstellen, dass es dann schwierig sein kann fremde Sprachen zu lernen, wenn man sein Land verlassen musste und auf unbestimmte Zeit in anderen Ländern leben muss.


Die 1935 geborene Ágota Kristóf schildert im kleinen autobiografischen Büchlein "Die Analphabetin"* ihr Leben im kommunistischen Ungarn und ihre Flucht über Österreich in die französischsprachige Schweiz. Schon als Kind hat sie gerne gelesen, was besonders ihrem Vater, einem Lehrer, besondere Freude bereitete. Als die Kommunisten die Macht ergreifen, wird der Vater eingesperrt und die erst 14-jährige Ágota in ein Internat zwangsverfrachtet. Ein geheimes Tagebuch hift die schweren Zeiten zu überstehen.


 
(Foto: die mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigte ungarischstämmige Schriftstellerin Ágota Kristóf; gesehen auf: mno.hu)


Mit nur 21 Jahren flüchtet sie Mitte der 50er-Jahre mit ihrem Mann und der nur wenige Monate alten Tochter in einer wahren Nacht-und-Nebelaktion an einem kalten Novemberabend über die Grenze nach Österreich. Ohne Plan, ohne Zukunftsaussichten, bloss in die Freiheit. Würde die 2011 Verstorbene in den letzten Woche die Nachrichten gesehen und gelesen haben, ihr Magen hätte sich wohl regelmässig umgedreht!

In der Schweiz findet die Schriftstellerin zunächst nichts vor außer freundlichen Menschen und einer Arbeit in einer Fabrik. Wieder verhilft ihr das Schreiben als Zufluchtsort ihren Verstand zu bewahren und Fuß zu fassen, auch wenn es in ihrer neuen "Feindsprache" Französisch ist.

Ihre knappe, kondensierte Sprache hat mich zutiefst berührt. Beinahe jedes einzelne Wort wirkt wie einem Fundus abgetrotzt, abgerungen, und ist doch so melodisch und flüssig aneinander gereiht. Mrs. Hyde ist schwerstens beeindruckt! Neben zahlreichen Theaterstücken schrieb Kristóf auch einige Erzählungen bzw. Romane, allen voran "Das große Heft", das ich kaum mehr erwarten kann zu lesen.

Wärmste Empfehlung für die zurecht viel geehrte, großartige Ágota Kristóf!

* Als Taschenbuch erschien "Die Analphabetin" 2007 auf Deutsch bei Piper.

Mittwoch, 2. September 2015

[bestaunt] ... Lenny Kravitz kann auch anders

Die Ausstellung kann man sich trotz Hitze und spinnerter Öffis nicht entgehen lassen! Also, wirklich nicht! Darum besah sich Mrs. Hyde für Euch kürzlich die Fotografie-Ausstellung "The Flash" von Mr. Obercool höchstpersönlich, von unser aller Lieblings-Leckerschmeckerschnecki ... von Lenny Kravitz.


(Foto: prominente Ausstellung in der Galerie OstLicht; gesehen auf: nicolestruppert.com)


Als musikalischer Langzeit-Sympathieträger ist Kravitz ja hinlänglich bekannt. Was weniger Leute wissen, der Gute hat neben guter Stimme und Traumbody auch ein gutes Auge. Bevorzugt wenn hinter der Kamera. Also wenn ihm nicht wieder wo die Hose platzt und er halb im Freien steht mit dem Schniedel, dann knipst er halt einfach Leutchen ab, die ihm in Massen immer und überall folgen.



Die Wiener Galerie OstLicht in der ehemaligen Ankerbrot-Fabrik hat sich das Thema unter den Nagel gerissen und präsentiert. Zahlreiche sehr großformatige schwarz-weiße Aufnahmen zeigen auf irgendwie schon groteske Weise den Rummel um berühmte Persönlichkeiten.

(Foto: eine von Lenny Kravitz Aufnahmen in der Ausstellung "The Flash - Bewunderer rotten sich vor einem Geschäft; gesehen auf: www.teneues.com)


Zwar ist diese Idee nicht ganz neu, doch die Umsetzung konnte mich durchaus überzeugen! Neben den obligatorischen Piranhabecken der Paparazzi findet sich auch so manches ernste, lachende, flirtende Gesicht, das Kravitz gekonnt in der Menge entdeckt hatte.



(Foto: da weiß einer sehr genau wie gut er sich dahalten hat und wie feiner er aussieht, Respekt! - der Künstler höchstselbst, Lenny Kravitz abgebildet von Mathieu Bitton; gesehen auf: twitter.com)


Abgerundet wurde die Ausstellung mit einigen Aufnahmen von Kravitz selbst, die der Fotograf Mathieu Bitton, der Kravitz auf Welttournee begleitete und am Strand, auf der Bühne, in der Hängematte, im Hochglanzlook abgelichtet hat. Gleich wird eines deutlich: der Herr ist für einen mittlerweile über 50-Jährigen wahnsinnig gut erhalten, ich sag in Ehrfurcht: Respekt!!I love the great Rampensau!!