Dienstag, 8. September 2015

belesen [Fremdsprachen] ... Agota Kristofs Kampf gegen Französisch

Als begeisterte Spanisch-, Französisch- und Japanisch-Lernende und ganz allgemein riiiiesen Sprachenfan, muss Mrs. Hyde gestehen, bin ich wohl ein wenig vorbelastet im besten Sinne des Wortes. Sprachen könnten für mich nie "Feinde" sein!

Und doch kann man sich, vielleicht heute in Zeiten einer europaweiten Flüchtlingstragödie mehr als noch vor wenigen Monaten, vorstellen, dass es dann schwierig sein kann fremde Sprachen zu lernen, wenn man sein Land verlassen musste und auf unbestimmte Zeit in anderen Ländern leben muss.


Die 1935 geborene Ágota Kristóf schildert im kleinen autobiografischen Büchlein "Die Analphabetin"* ihr Leben im kommunistischen Ungarn und ihre Flucht über Österreich in die französischsprachige Schweiz. Schon als Kind hat sie gerne gelesen, was besonders ihrem Vater, einem Lehrer, besondere Freude bereitete. Als die Kommunisten die Macht ergreifen, wird der Vater eingesperrt und die erst 14-jährige Ágota in ein Internat zwangsverfrachtet. Ein geheimes Tagebuch hift die schweren Zeiten zu überstehen.


 
(Foto: die mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigte ungarischstämmige Schriftstellerin Ágota Kristóf; gesehen auf: mno.hu)


Mit nur 21 Jahren flüchtet sie Mitte der 50er-Jahre mit ihrem Mann und der nur wenige Monate alten Tochter in einer wahren Nacht-und-Nebelaktion an einem kalten Novemberabend über die Grenze nach Österreich. Ohne Plan, ohne Zukunftsaussichten, bloss in die Freiheit. Würde die 2011 Verstorbene in den letzten Woche die Nachrichten gesehen und gelesen haben, ihr Magen hätte sich wohl regelmässig umgedreht!

In der Schweiz findet die Schriftstellerin zunächst nichts vor außer freundlichen Menschen und einer Arbeit in einer Fabrik. Wieder verhilft ihr das Schreiben als Zufluchtsort ihren Verstand zu bewahren und Fuß zu fassen, auch wenn es in ihrer neuen "Feindsprache" Französisch ist.

Ihre knappe, kondensierte Sprache hat mich zutiefst berührt. Beinahe jedes einzelne Wort wirkt wie einem Fundus abgetrotzt, abgerungen, und ist doch so melodisch und flüssig aneinander gereiht. Mrs. Hyde ist schwerstens beeindruckt! Neben zahlreichen Theaterstücken schrieb Kristóf auch einige Erzählungen bzw. Romane, allen voran "Das große Heft", das ich kaum mehr erwarten kann zu lesen.

Wärmste Empfehlung für die zurecht viel geehrte, großartige Ágota Kristóf!

* Als Taschenbuch erschien "Die Analphabetin" 2007 auf Deutsch bei Piper.

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